Festspielhausgelände | Sanierung des Festspielhauses und seiner Seitengebäude
Das Festspielhaus wurde in drei Bauabschnitten nach den Plänen des Münchner Architekturbüros Meier-Scupin & Partner von 2004 bis 2012 umfassend saniert. Zunächst wurde es in einen ganzjährig bespielbaren Zustand versetzt, danach fand die Sanierung parallel zum laufenden Proben- und Spielbetrieb statt. Der neue Große Saal des Festspielhauses ist heute wieder eine lichtdurchflutete Pfeilerhalle mit offenem Dachstuhl und bietet unterschiedlichste Nutzungsmöglichkeiten.
Die das Festspielhaus flankierenden Kasernenbauten besitzen jeweils eine denkmalgeschützte Dachkonstruktion aus materialsparenden Kroher-Bindern. Der westliche Flügel wurde in zwei Abschnitten (2001–2004 und 2012–2016) so substanzerhaltend wie möglich saniert, der östliche Flügel soll 2023 fertiggestellt sein.
Inhalte dieses Artikels
Sanierung des Festspielhauses
1. Bauabschnitt
Im ersten Bauabschnitt (2004–2006, Baukosten: 11,7 Mill. Euro) wurde das Festspielhaus in einen ganzjährig spielfähigen Zustand versetzt. Zunächst wurde der Rohbau in Erd- und Obergeschoss für die zukünftige Nutzung vorbereitet. Dabei wurde besonderer Wert auf ausbaufähige Lösungen für Ausstattung und Technik gelegt. Die Herstellung der Bespielbarkeit umfasste die Bereitstellung des Großen Saals mit Orchestergraben, Seitenbühnen und Empore sowie des Oberlichtsaals Ost im EG. Dort entstanden auch jeweils 2 Künstler- und Technikerräume, die Zuschauergarderoben und Toiletten sowie die Kasse. Im UG wurden Künstlergarderoben, Lagerbereiche unter dem Großen Saal und Technikräume untergebracht.
2. Bauabschnitt
Im zweiten Bauabschnitt (2008–2009, Baukosten ca. 4,5 Mio. Euro) wurden die Sanierung und der Ausbau des Gebäudeinneren in zwei Phasen fertiggestellt, um den Proben- und Spielbetrieb im Festspielhaus so wenig wie möglich zu behindern. Die erste Phase umfasste den Neubau der Decken über dem Erdgeschoss der Seitenflügel, den originalgetreuen Wiederaufbau der Dächer über den Anbauten sowie die Errichtung eines behindertengerechten Zugangs am Treppenhaus Südwest. Aufgrund des schlechten Zustandes der Bausubstanz mussten auch die Decken über dem Portikus Nord und Süd unterseitig saniert werden.
Die zweite Phase widmete sich der Fertigstellung des Innenausbaus. Um wiederum die maximale Bespielbarkeit des Hauses zu ermöglichen, verliefen weite Teile der Bauarbeiten parallel zum Veranstaltungsbetrieb. Im Hauptsaal wurden die beim Umbau in den 1930er Jahren verschlossenen 8. Saalfenster in den Seitenwänden wieder geöffnet. Die Dachkonstruktion der Seitenflügel musste dafür zur originalen Geometrie zurückgebaut werden.
Bis 2009 wurde der Oberlichtsaal West wiederhergestellt. Hier hatte man sich bei der Sanierung dafür entschieden, alle Farbreste und Spuren der verschiedenen Nutzungsphasen an den Wänden zu belassen. So wurden durch den Erhalt des Putzes mit Wandbildern von Nancy Spero, die Aufarbeitung originaler Holzeinbauten an Wand und Decke und durch die Ergänzung mit modernen Elementen verschiedenste Bestandteile integriert. Der Raum heißt heute „Nancy-Spero-Saal“ nach der amerikanischen Künstlerin, die 1998 an seinen Wänden ihre Darstellungen in Stempeldrucktechnik hinterließ. Spero benutzte dafür eine Art Fundus, den sie neben eigenen Zeichnungen mit Bildzitaten von Frauen aus allen Epochen der Menschheitsgeschichte bestückte. Mithilfe der Fotogravurtechnik wurden etwa 450 verschiedene Motive in diversen Größen auf Polymerstempel übertragen. Kernstück an der Stirnwand des Saales ist ein Gedicht von Bertolt Brecht aus dem Jahr 1935, die „Ballade von der Judenhure Marie Sanders“, dessen Text sich thematisch um das Abbild einer gefesselten, entblößten Frau gruppiert. Das Ensemble ist ein Kommentar auf die Gräuel des NS-Regimes. Ursprünglich erstreckten sich die Wandbilder über weite Teile des Hauses. Da sie jedoch nie für den dauerhaften Verbleib vor Ort gedacht waren, wurden sie während der Sanierungsarbeiten weitestgehend entfernt.
3. Bauabschnitt
Im dritten Bauabschnitt (2009–2012, Baukosten ca 2,5 Mio. Euro) wurde die äußere Gebäudehülle des Hauses denkmalgerecht wiederhergestellt. Nach einer umfassenden restauratorischen Bestandsaufnahme und Dokumentation konnten die noch erhaltenen Putzflächen und Natursteinteile genau datiert und Entscheidungen über deren Erhaltung und Restaurierung getroffen werden. Die Sanierung der beiden bauzeitlichen Giebelreliefs (Yin-Yang-Symbol) fand vor Ort in einer speziell hierfür gefertigten Schalung auf Basis eines digitalen 3D-Aufmaßes statt. Somit konnte die erhaltene Originalsubstanz gesichert, restauriert und in das erneuerte und wiederhergestellte Erscheinungsbild des Gebäudes aus der Erbauungszeit integriert werden.
Alte Pracht und neueste Technik
Der neue Große Saal des Festspielhauses ist heute wieder eine lichtdurchflutete Pfeilerhalle mit offenem Dachstuhl – ein „Steinernes Zelt“, wie sein Erbauer Heinrich Tessenow ihn nannte. Die hellen Wand- und Dachflächen, weißen Fenster und Türen sowie die Böden entsprechen dem historischen Material- und Farbkonzept. Das Haus bietet unterschiedlichste Nutzungsmöglichkeiten, unter anderem durch die Wiederherstellung der Seitenbühnen und der Öffnungen zu den Oberlichtsälen. Dies entspricht auch der ursprünglichen Idee, zwischen Zuschauern und Bühne keine im klassischen Sinne feste Trennung vorzusehen. Die Bespielungsrichtung, Bühnenlage und Spielart ist frei wählbar, die Zuschauertribüne wird als lose Ausstattung des Saales bei Bedarf aufgebaut und Elemente der Spieltechnik sind im Dachraum integriert.
Sanierung der Kasernenbauten
Kaserne West
Nach dem ursprünglichen Entwurf sollte die Kaserne West zunächst ein reines Büro- und Verwaltungsgebäude sein, doch nach einer Änderung der Beplanung wurden ab 2012 ergänzend auch Künstlerresidenzen integriert. Die Dachsanierung und der Ausbau im Erd- und Obergeschoss von 2001 bis 2004 kostete ca. 2,9 Mio. Euro. Im denkmalgeschützten Dachstuhl aus Kroher-Bindern wurde darauf geachtet, die Eingriffe in die Substanz minimal zu gestalten. Auch die Sanierung der Gebäudehülle fand nah am Original statt. Erhaltene Putzflächen wurden weitgehend restauriert, die Fenster aufgearbeitet bzw. nachgebaut und innenseitig mit einer zweiten Glasebene zu Kastenfenstern ergänzt.
Von 2012 bis 2016 (Kosten ca. 2,9 Mio. Euro) entstanden im südlichen Teil des Dachgeschosses acht Einzel- und zwei Doppelapartments mit Bädern und einer Gemeinschaftsküche. An den Wohnbereich schließt sich ein Aufenthalts- und Arbeitsbereich an. Im nördlichen Teil des Dachgeschosses entstand ein Probestudio. Seit September 2014 befindet sich im zentralen Teil des Erdgeschosses das Besucherzentrum des Festspielhauses Hellerau. Zuletzt fand die denkmalgerechte Verbindung des südlichen Eingangs zu den Pensionshäusern am Vorplatz des Festspielhauses statt.
Kaserne Ost
Insbesondere die Kaserne Ost hatte die Verbindung des Festspielhauses mit der umliegenden Gartenstadt Hellerau unterbrochen. Um den Festspielplatz wieder von Osten zugänglich zu machen, sieht der Entwurf des Architekturbüros Heinle, Wischer und Partner im Erdgeschoss ein großes Foyer als offene Passage in die Gartenstadt vor. Um den Blick auf die denkmalgeschützte Dachkonstruktion aus Kroher-Bindern schon beim Betreten des Hauses freizulegen, werden im Foyer alle Decken bis unter das Dach entfernt. Das Foyer wird von zwei großen, zweigeschossigen Räumen flankiert, die das Festspielhaus Hellerau um die für den eigenen Produktionsbetrieb notwendige Probe- und Studiobühne ergänzen. Außerdem soll der zukünftige Gebäudeflügel Ost Gastronomie, Künstlerresidenzen, Werkstätten und Ateliers beherbergen. Die Sanierung startete im Jahr 2020 und ist voraussichtlich 2023 abgeschlossen.