Künstlerische Entwicklung auf dem Festspielhausgelände
Die Anfänge der künstlerischen Wiederentdeckung des Festspielhausgeländes waren abenteuerlich, provisorisch und aufregend. In wenigen Jahren entwickelte sich der Ort zu einer der innovativsten Stätten zeitgenössischer Kunst und Kultur in Dresden und Sachsen mit einer enormen europäischen Strahlkraft. Seit 2004 agiert hier das Europäische Zentrum der Künste als interdisziplinäres Koproduktions- und Gastspielhaus und bietet den zeitgenössischen Künsten Tanz, Musik, Theater, Performance und Medienkunst Räume für Produktion und Präsentation. Programmatisch beschäftigt es sich in verschiedenen Schwerpunkten und Festivalformaten mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit.

Ketzal, DEREVO, 2015.
© Peter R. Fiebig
1992–2006
Anfang 1990 bildete sich der Förderverein für die Europäische Werkstatt für Kunst und Kultur Hellerau e. V. und stellte sich inmitten des allgemeinen gesellschaftlichen Umbruchs die Aufgabe, herauszufinden, was mit diesem einzigartigen Kulturstandort geschehen soll.
In den bewegten, abenteuerlichen Neunzigern fanden Aufführungen und Experimente, Tanz, Theater, Musik sowie interdisziplinäre Projekte auf dem Vorplatz und bald auch im Festspielhaus statt. Mit dem Initiator des Neubeginns des Festspielhauses Detlev Schneider und vielen Künstlerinnen und Künstlern wurde Mögliches und Unmögliches gewagt mit geborgter Lichttechnik, im eiskalten Festspielsaal, bei dröhnendem Lärm der Flugzeuge oder gar Wassereinbrüchen vom Dauerregen. Man lebte und arbeitete mit Provisorien: „Sanierung als künstlerische Anverwandlung“. Jenem programmatischen Kerngedanken ist es zu verdanken, dass in Hellerau über die Jahre hinweg Produktionen zu erleben waren, die ihre besondere Atmosphäre und Aussagekraft aus der Korrespondenz mit den von Missbrauch und Verfall gezeichneten Räumlichkeiten und mit der Geschichte bezogen. Auf das erste „Fest“ 1992 folgten weitere, und ab 1995 vom Frühjahr bis in den Spätherbst hinein Kunstaktionen, Ausstellungen, Performances, Inszenierungen, Partys, Workshops und Diskurse.
1996 setzte das Festival „Theater der Welt“ Akzente. Mit dem Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik und der Tanzbühne Dresden e. V. entstanden Partnerschaften: Regelmäßig wurden Produktionen der Internationalen Tanzwoche und der Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik gezeigt. Ab 2000 kamen das Medienkunstfestival CYNETART und die Internationale Rhythmikwerkstatt hinzu. 2003 (bis 2018) siedelte sich das Tanztheater DEREVO auf dem Festspielgelände an.
Im Sommer 2002 zog das Dresdner Zentrum für zeitgenössische Musik auf das Festspielhausgelände, mit dem Ziel, den offenen Werkstattcharakter in Hellerau fortzuführen. Um die künstlerische Entwicklung und Programmplanung zu bündeln und voranzutreiben, wurde es 2004 als Bühne der Landeshauptstadt Dresden zum Europäischen Zentrum der Künste Hellerau. Als Gründungsintendant wurde der Komponist Udo Zimmermann berufen, der das Haus bis 2008 leitete. Durch die Fusionierung des Dresdner Zentrums für zeitgenössische Musik mit dem neu gegründeten Europäischen Zentrum der Künste Hellerau wurden neue Bereiche in die Arbeit des Festspielhauses aufgenommen. Die Aufarbeitung der aus Berlin übernommenen Internationalen Musikbibliothek sowie der Aufbau eines Deutschen Komponistenarchivs in Zusammenarbeit mit der GEMA Stiftung kamen hinzu.

Feierlicher Einzug auf dem Vorplatz, 1992.
Foto: Gabriele Gorgas.

Kluft, tatoeba - Théâtre Danse Grotesque, 1995.
Fotograf: Lothar Sprenger.
2006–2023
Am 7. September 2006 wurde das Festspielhaus Hellerau nach der Sanierung mit einem Festakt und mehreren Aufführungen der Choreografie „Human Writes“ der Forsythe Company wiedereröffnet. Die Ansiedlung von The Forsythe Company unter der Leitung des international renommierten Choreografen William Forsythe in Hellerau als Kooperationsprojekt der Städte und Länder Dresden, Frankfurt/a.M., Hessen und Sachsen markierte einen weiteren Meilenstein für das Europäische Zentrum der Künste.
Von 2009 bis 2018 leitete Dieter Jaenicke das Haus und baute erstmals einen ganzjährigen, kontinuierlichen Spielbetrieb mit Schwerpunkt internationaler zeitgenössischer Tanz auf. Das Haus setzte seine Arbeit im Bereich der zeitgenössischen Musik fort, insbesondere im Rahmen des biennalen Festivals „Tonlagen – Dresdner Festival der zeitgenössischen Musik“. Darüber hinaus wurden u. a. Programmformate wie Kids on Stage, Bandstand, Linie 8 und Golgi Park – Interkultureller Garten entwickelt. 2015 wurde der Fotografiewettbewerb PORTRAITS – HELLERAU Photography Award gegründet.
2018 übernahm Carena Schlewitt die künstlerische Leitung. Heute zählt HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste zu den wichtigsten internationalen Zentren der zeitgenössischen Künste in Deutschland und Europa. Es agiert als interdisziplinäres Koproduktions- und Gastspielhaus und bietet den zeitgenössischen Künsten Tanz, Musik, Theater, Performance und Medienkunst Räume für Produktion und Präsentation. HELLERAU begleitet die Entwicklung der regionalen freien Akteur:innen und Ensembles und bietet Residenzen und Arbeitsaufenthalte für Künstler:innen aus der ganzen Welt. Neben den Veranstaltungs-, Probe- und Residenzräumen dient auch der weiträumige Kulturgarten für künstlerische Aktionen. HELLERAU ist Mitglied im Bündnis internationaler Produktionshäuser und kooperiert mit zahlreichen Partnern und Netzwerken.
Seit 2015 ist HELLERAU einer der beiden Residenzspielorte der Dresden Frankfurt Dance Company, die aus der ehemaligen Forsythe Company hervorgegangen ist. Nach der künstlerischen Leitung von Jacopo Godani (2015–2023) übernimmt Ioannis Mandafounis im Sommer 2023 die Leitung der Kompanie.
Programmatisch beschäftigt sich HELLERAU in verschiedenen Schwerpunkten und Festivalformaten mit aktuellen gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit. Ein großes Interesse gilt der Rolle der Künste in den gesellschaftlichen Transformationsprozessen der ehemaligen Ostblockstaaten nach 1989. Andere Themen kreisen um Nachbarschaften, Generationen, Identität(en) sowie ökologische Nachhaltigkeit. 2019 hat HELLERAU die fünfte Ausgabe des renommierten Tanzkongresses der Kulturstiftung des Bundes unter der Leitung der Choreografin Meg Stuart ausgerichtet. Die 1987 vom Komponisten, Dirigenten und Intendanten Udo Zimmermann gegründeten „Dresdner Tage der zeitgenössischen Musik“ finden seit 2023 wieder unter dem ursprünglichen Gründungsnamen statt.
HELLERAU – Europäisches Zentrum der Künste lebt durch die Begegnung mit künstlerischen Positionen und Prozessen der Live-Künste Tanz, Musik, Performance und Medienkunst und versteht sich als weltoffener Ort für Begegnungen für ein breites Publikum.

Schlachthof 5, nach Kurt Vonneguts Roman Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug.
Inszenierung von Johannes Kirsten, 2020. Fotograf: Stephan Floss.

Ketzal , DEREVO, 2015.
Foto: Peter R. Fiebig.

Das Feld , Rauminstallation von Stefan Schröder, 1996.
Fotograf: Michael Lange.

Rhythmikerinnen im Nancy-Spero-Saal, Veranstaltung im Rahmen der Internationalen Rhythmikkurse.
Foto: Gabriele Gorgas.

Rhythmikerinnen proben im Bühnenbild des Staatsschauspiels das Stück Der jüngste Tag von Ödön von Horváth.
Das Staatsschauspiel Dresden bringt aufgrund der Flutschäden im eigenen Haus die Inszenierung im Festspielhaus heraus, 2002. Foto: Gabriele Gorgas.

Der Kulturgarten, 2022.
Fotograf: Stephan Floss.

Großer Saal Blickrichtung Nord, 2022.
Fotograf: Till Schuster.

Bühnenbild nach Adolphe Appia im Rahmen des Festivals Appia Stage Reloaded, 2017.
Fotograf: Lothar Sprenger.

Der Prozess, Franz Kafka, eine Inszenierung von Krystian Lupa, 2018.
Fotografin: Magda Hueckel.

"Im Hof von nur einem", Jean-Michel Bryère, 2010.
Fotograf: Stephan Floss.